Es liegt kein versicherter Arbeitsunfall in der Schülerunfallversicherung vor, wenn auf einer Studienfahrt ein 17-jähriger Schüler nachts nach verbotenem Alkoholkonsum aus dem Fenster aufs Dach klettert und dabei ausrutscht und sich verletzt.

Der Sachverhalt

Der Kläger reiste mit anderen Schülern eines Gymnasiums  zu einer Studienfahrt nach England. In  der von den Schülern bewohnten Jugendherberge stürzte er gegen Mitternacht vom Dach, auf das er zum Rauchen über das Fenster des Badezimmers, das  zu dem von ihm und anderen Klassenkameraden bewohnten Zimmer gehörte, gelangt war.

Der Sturz erfolgte aus etwa 5 m Höhe auf harten Untergrund, was beim Kläger eine schwere Kopfverletzung sowie eine Verletzung der Wirbelsäule und in der Folge eine Lähmung unterhalb der Brustwirbelsäule verursachte.

Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (S 1 U 5024/13)

Die Kammer hat Versicherungsschutz verneint, weil der Aufenthalt des Klägers mit seinen Kameraden auf dem gemeinsamen Zimmer zum Zwecke des verbotenen Alkoholkonsums  als nicht versichert anzusehen ist. Beim Trinken und Rauchen handelt es sich grundsätzlich um eigenwirtschaftliche, nicht versicherte Tätigkeiten.

Etwas anderes gilt hier nach Überzeugung der Kammer auch nicht unter dem Gesichtspunkt schülertypischen Verhaltens in der Gruppe. Selbst wenn der Alkoholkonsum noch als gruppentypische Verhaltensweise auf einer Klassenfahrt angesehen würde, gilt dies nicht für den Entschluss des Klägers, gegen Mitternacht, nicht wie bereits mehrfach zuvor, das Haus zum Zwecke des Rauchens zu verlassen, sondern aus dem Badezimmerfenster zu klettern und auf dem Dach zu rauchen.

Absolut unvernünftige persönliche Entscheidung

Dies stellt eine eigenverantwortliche, absolut unvernünftige, aber wie die Angaben des Klägers belegen, rational begründete und vollzogene persönliche Entscheidung dar, die nicht als Ausfluss eines typischen Gruppenverhaltens von Schülern und Jugendlichen betrachtet werden kann.

Keine besondere Unreife des Klägers

Im Fall des Klägers, der im Unfallzeitpunkt 17 1/2 Jahre gewesen ist, liegen auch  Anhaltspunkte für eine besondere Unreife, eine handlungsunfähig machende Alkoholisierung,   das Bestehen einer Mutprobe, ein Handeln aus Imponiergehabe oder ein Unfallereignis aus  besonderer Betriebsgefahr nicht vor.

Gericht:
Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 29.04.2014 - S 1 U 5024/13
(Berufung des Klägers beim LSG anhängig)

SG Stuttgart
Rechtsindex- Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Versicherungsschutz - Wer als Radfahrer auf dem Heimweg von der Arbeit einem Autofahrer den Weg versperrt, um ihn wegen eines vermeintlichen Verkehrsverstoßes zur Rede zu stellen, verliert den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Urteil lesen

Benzin anstatt Diesel - Wenn ein Autofahrer aus Versehen Benzin statt Diesel tankt und der Wagen danach brennt, muss die Teilkaskoversicherung zahlen. So entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 28. Oktober 2008 (AZ: 4 U 12/08), wie die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichten. Urteil lesen

Ein Busfahrer, der für einen Verein Kinder und Eltern aus Weißrussland in die Pfalz und anschließend wieder zurück in die Heimat fährt, genießt auch dann den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland, wenn er im Ausland (hier bei Minsk in Weißrussland) verunglückt. Die bereits am 18. Mai 2004 vom Sozialgericht Speyer verkündete Entscheidung (Az. S 1 U 341/03) ist nunmehr rechtskräftig geworden, nachdem sowohl das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (Az. L 2 U 237/04) als auch das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundessozialgericht in Kassel (Az. B 2 U 215/07 B) abgeschlossen sind. Urteil lesen

Autounfall - Wenn es einmal kracht, sollten Autofahrer unbedingt das Eintreffen der Polizei abwarten und sich nicht schon vorher von der Unfallstelle entfernen, warnen die Verkehrsexperten der Hamburg-Mannheimer Sachversicherung. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de