Fahrtkosten sind nach den Regelungen des SGB II zwar grundsätzlich in der Regelleistung als Bedarf enthalten sind, jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Bei außergewöhnlichen Lebenssituationen, in denen laufend besondere Bedarfe entstehen, müsse das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren.

Das SG Mainz hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") beim Jobcenter Fahrtkosten für notwendige Facharztbesuche als "Mehrbedarf" geltend machen kann.

Der Sachverhalt

Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung in der Nähe von Mainz lebende Kläger wurde in seinem Heimatland verfolgt und gefoltert. Er leidet an einer schweren Traumastörung und befand sich in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung in Frankfurt, wohin er mittels öffentlicher Verkehrsmittel gelangte.

Seinen Antrag auf Gewährung einer "Sonderleistung" für die Fahrtkosten nach Frankfurt in Höhe von jeweils 9,35 Euro lehnte das beklagte Jobcenter mit der Begründung ab, dass in diesem Fall die Voraussetzungen für die Gewährung eines sogenannten Mehrbedarfs nicht vorliegen würden. Zur Begründung verwies die Behörde zum einen darauf, dass der Kläger zu einem Facharzt am Wohnort wechseln könne. Darüber hinaus seien Fahrtkosten bereits abschließend durch die pauschal gewährte Regelleistung abgedeckt, so dass der Kläger gehalten sei, für im Streit stehenden Kosten auf die Regelleistung zurückzugreifen bzw. sie aus diesen Mitteln anzusparen.

Die Entscheidung

In der mündlichen Verhandlung wies das Sozialgericht das Job-Center jedoch u. a. darauf hin, dass Fahrtkosten nach den Regelungen des SGB II zwar grundsätzlich in der Regelleistung als Bedarf enthalten sind, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Mittlerweile erkenne das Gesetz durchaus an, dass es außergewöhnliche Lebenssituationen gebe, in denen nicht nur einmalig, sondern laufend besondere Bedarfe entstehen, die z. B. durch ein Ansparen nicht mehr aufgefangen werden können. In diesem Fall müsse das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren.

Zu Gunsten des Klägers war insbesondere zu berücksichtigen, dass er aus medizinischen Gründen weiter regelmäßig seine Ärzte in Frankfurt aufsuchen musste, da es ihm aufgrund seiner Krankheit sehr schwer falle, Vertrauen zu neuen Ärzten aufzubauen. Seine Ärzte waren zudem Spezialisten für die Therapie von Folteropfern. Diese Besonderheiten verursachen dem Kläger laufend überdurchschnittlich hohe Fahrtkosten. Würde man ihn darauf verweisen, diese Kosten aus der Regelleistung zu bestreiten, käme dies faktisch einer Kürzung des Regelbedarfs gleich.

Aufgrund des Hinweises des Gerichts erklärte sich das Jobcenter im Wege eines gerichtlichen Vergleichs zur Übernahme der Fahrtkosten bereit.

Gericht:
Sozialgericht Mainz - S 15 AS 1324/10

SG Mainz, PM Nr. 8/2013
Rechtsindex - Recht & Urteil
Ähnliche Urteile:

Hartz-IV Empfänger können für Ihre Kinder keine Extragelder beantragen, wenn diese wachstumsbedingt neue Kleidung benötigen. Bekleidungsbedarf fällt regelmäßig bei allen Kleinkindern an und stellt deshalb keine besondere Härte dar. Urteil lesen

Hartz IV Empfänger haben keinen Anspruch darauf, die örtlichen Angemessenheitsgrenzen durch einen Umzug in eine andere Wohnung mit höheren - noch angemessenen - Kosten auszuschöpfen. Urteil lesen

Sozialrecht - Grundsätzlich haben Empfänger von Grundsicherungsleistungen nur Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn diese angemessen sind. Lediglich für eine Übergangszeit, in der Regel sechs Monate, werden zu hohe Unterkunftskosten übernommen, um dem Hilfebedürftigen Gelegenheit zu geben, sich eine preiswertere Wohnung zu suchen. Urteil lesen

Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen steht ein hälftiger Mehrbedarf für Alleinerziehende zu, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Kosten in etwa hälftig teilen. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de