Privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger können nicht zu einem Tarifwechsel in den Basistarif gezwungen werden. Der Sozialhilfeträger ist aber nur zur Übernahme von Aufwendungen entsprechender Beitragsleistungen nach dem Basistarif verpflichtet.

Privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger wurden bislang von den Sozialgerichten regelmäßig auf die Zumutbarkeit einer Absicherung im Basistarif verwiesen. Seit der Einführung des so genannten „Basistarifs“ in der privaten Krankenversicherung besteht ein dem Versorgungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbarer Versicherungsschutz.

Das Bayerische Landessozialgericht hat nun entschieden, dass daraus kein Zwang zum Abschluss eines solchen Basistarifs folgt. Der Sozialhilfeträger hat vielmehr auch dann Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen, wenn der Sozialhilfeempfänger einen anderen Tarif gewählt hat.

Der Sachverhalt

Die Klägerin bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Aufgrund ihrer früheren selbständigen Tätigkeit ist sie privat krankenversichert. Der monatliche Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung beläuft sich auf etwa 850 Euro. Davon entfallen etwa 300 Euro auf einen Risikozuschlag. Der jährliche Eigenanteil beläuft sich auf 400 Euro. Der beklagte Sozialhilfeträger hatte die Klägerin zunächst zur Kündigung ihrer privaten Krankenversicherung aufgefordert und die Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge abgelehnt.

Das Sozialgericht hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben und einen Anspruch auf Übernahme der gesamten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie des zu erbringenden Selbstbehalts festgestellt. In der Begründung verwies das Sozialgericht unter anderem darauf, wegen der Schwere der Erkrankungen der Klägerin und im Hinblick auf frühere Krankheitskosten der Klägerin von mehr als 63 Tsd. Euro im Jahr wäre ein Einstehen des Sozialhilfeträgers im Form der Krankenhilfe nach § 264 SGB V i.V.m. § 48 SGB XII die deutlich teurere Form der Versorgung. Die von der Klägerin beanspruchten monatlichen Aufwendungen seien daher angemessen.

Die Entscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts abgeändert und den Umfang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers reduziert. Aufwendungen nach § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB V würden nur übernommen, soweit sie angemessen seien. Es bestehe daher nur ein Anspruch auf Kostenübernahme von Beiträgen, die Leistungen der Krankenkasse im Umfang des Basistarifs sicherstellten. Dafür genüge in den meisten Fällen die Erstattung des halben Basistarifs, wenn die Beitragshöhe für die Dauer der Hilfebedürftigkeit unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1c VAG kraft Gesetzes um die Hälfte vermindert ist. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Die bereits vor dem 1. Januar 2009 privat krankenversicherte Klägerin habe schon keine rechtliche Möglichkeit gehabt, ihren Versicherungsvertrag zu kündigen. Ein Tarifwechsel in den Basistarif könne - trotz der rechtlichen Möglichkeit – nach den Vorschriften des SGB XII jedoch nicht verlangt werden.

Auswirkungen der Entscheidung

Das Bayerische Sozialgericht hat mit seiner Entscheidung die Leistungspflichten von Sozialhilfeträgern im Rahmen des Sonderbedarfs nach § 34 Abs. 5 SGB XII weiter konkretisiert. Nunmehr ist klargestellt, dass privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger zwar nicht zu einem Tarifwechsel in den Basistarif gezwungen werden können. Der Sozialhilfeträger ist aber nur zur Übernahme von Aufwendungen entsprechender Beitragsleistungen nach dem Basistarif verpflichtet.

Gericht:
Bayer. Landessozialgericht Urteil vom 19. Juli 2011 - L 8 SO 26/11

Quelle: Bayer. Landessozialgericht, Rechtsindex
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