Im Bauchraum einer 30-Jährigen wurde nach einer Operation eine knapp 2cm lange OP-Nadel vergessen. Erst zwei Monate später wurde sie darüber informiert. Die Frau verlangt Schmerzensgeld.

Der Sachverhalt

Die heute 30-jährige Klägerin unterzog sich im März 2014 einer urologischen Operation in dem Krankenhaus der Beklagten (Trägerin des Bundeswehrkrankenhauses Ulm), bei der eine 1,9 cm lange Nadel im Körper zurückgeblieben war. Dies wurde bei einem CT im April 2014 festgestellt und die Patientin darüber rund zwei Monate nach der Operation informiert.

Seither muss sie sich zur Kontrolle des Verbleibs der Nadel im Körper regelmäßig röntgenologisch untersuchen lassen und befürchtet Folgeschäden sowie gegebenenfalls eine weitere Operation zur Entfernung der Nadel.

Das Landgericht Ulm (Az. 6 O 302/15) hatte die Beklagte bereits zu Schmerzensgeld und Schadensersatz verurteilt, wogegen diese sich mit ihrer Berufung richtet. Nach Auffassung der Berufungsklägerin, vertreten durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr, stelle eine unterbliebene Zählkontrolle keinen Behandlungsfehler dar.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Stuttgart gibt der Geschädigten überwiegend Recht und reduziert lediglich das erstinstanzlich verhängte Schmerzensgeld. Der Senat sieht im Zurücklassen der Nadel im Bauchraum einen schuldhaften Behandlungsfehler, der der Klinik zur Last fällt.

Nach der BGH-Rechtsprechung müssten Ärzte alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen und sämtliche Instrumente nach einer OP auf ihre Vollständigkeit überprüfen. Zur Zählkontrolle und Vermeidung unbeabsichtigt im Operationsgebiet zurückgelassener Fremdkörper hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht.

Da diese Handlungsempfehlungen auf Grundlage eines Beschlusses des deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurden, hält es der Senat für befremdlich, dass die beklagte Bundesrepublik Deutschland meint, sie selbst sei 4 Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen bei Operationen verpflichtet. Nach den weiteren Darlegungen des Senats seien der Behandlungsfehler und die verspätete Aufklärung der Patientin jedoch nicht als grober Behandlungsfehler zu bewerten.

Das unbemerkte Zurücklassen der Nadel habe bei der Klägerin zu einem Schaden geführt. Sie sei nicht nur durch die regelmäßigen Lagekontrollen der Nadel, sondern auch durch das Wissen um die Nadel im Körper und die Ungewissheit über die Erforderlichkeit einer Operation zu deren Entfernung belastet.

Bemessung des Schmerzensgeld

Das Berufungsgericht hält daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- € für angemessen und ausreichend. Weiter erhält die Klägerin ihre bisherigen materiellen Schäden in Höhe von rund 2.000,- € erstattet. Im Übrigen stellte der Senat fest, dass der Krankenhausträger verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Behandlungsfehler zu ersetzen.

Themenindex:
Arzthaftung, Behandlungsfehler

Rechtsgrundlagen:
§ 630 a BGB
§ 630 h BGB
§ 280 BGB
§ 253 BGB

Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 20.12.2018 - 1 U 145/17

OLG Stuttgart, PM
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