Bei einem Speedway- oder Sandbahnrennen sind Sicherheitsvorkehrungen für die Zuschauer unerlässlich. Welchen Umfang diese Sicherheitsvorkehrungen haben müssen, hat jetzt der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg in einem aktuellen Fall entschieden.

Der Sachverhalt

Der Zuschauerbereich war von dem Rundkurs, auf dem die Motorräder ihre Kreise drehten, durch eine 1,2 Meter hohe Betonmauer getrennt. An deren Innenseite befand sich ein Luftkissenwall. Drei Meter von der Betonmauer entfernt war ein Seil gespannt.

Dahinter standen die Zuschauer. Direkt nach dem Start kollidierten zwei Motorräder und fielen zu Boden. Ein drittes Motorrad fuhr auf und wurde über die Betonwand katapultiert. Es verfing sich in dem Seil und prallte auf den Oberschenkel eines Zuschauers, der dadurch einen Oberschenkelbruch erlitt.

Die klagende Krankenkasse verlangte von dem beklagten Veranstalter die Behandlungskosten in Höhe von rund 6.000,- Euro. Sie vertrat die Auffassung, der Veranstalter hätte seine Verkehrssicherung verletzt. Er hätte einen Fangzaun errichten müssen. Der Veranstalter argumentierte, es gebe nahezu kein Unfallrisiko bei Speedwayrennen. Die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen entsprächen der Üblichkeit und den Vorschriften des Rennsportverbandes.

Die Entscheidung

Der  2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg bejahte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und gab der Krankenkasse Recht. Zwar sei eine vollkommene Verkehrssicherheit gegen jede denkbare Gefahr und die jeden Unfall ausschließe, nicht zu erwarten. Es müssten aber alle Maßnahmen ergriffen werden, die zumutbar seien und die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig halten dürfe, um andere vor Schäden zu bewahren. Je größer die Gefahr sei, desto höher seien die Sicherheitsanforderungen.

Nach diesen Grundsätzen wäre im konkreten Fall ein zusätzlicher Fangzaun erforderlich gewesen. Denn der Unfallverlauf sei bei einem Speedwayrennen nicht ganz ungewöhnlich. Es sei alles andere als lebensfern, dass bei einem Zusammenstoß von Motorrädern eine Katapultwirkung entstehe und ein Motorrad zu einem lebensgefährlichen Geschoss für die Zuschauer werde.

Der Veranstalter könne sich auch nicht darauf berufen, dass seine Sicherungsmaßnahmen den Rahmen des Üblichen und den Auflagen des Verbandes entsprochen hätten. Ein Verkehrssicherungspflichtiger habe eigenverantwortlich zu prüfen, welche konkreten Maßnahmen erforderlich seien.

Die amtlichen Leitzsätze

1. Ein Verein, der im Rahmen einer von ihm organisierten Speedwayrennveranstaltung den Zuschauerbereich des Rundkurses lediglich durch eine 1,2 m hohe Betonmauer mit einem davorliegenden Luftkissenwall sowie einem 3 Meter hinter der Betonmauer entfernt gespannten Seil abgrenzt, verletzt seine Verkehrssicherungspflicht.

2. Er ist für den Schaden, der einem hinter dem Seil stehenden elfjährigen Zuschauer dadurch entsteht, dass ein Fahrer die Kontrolle über sein Motorrad verliert, dieses abhebt, über die Betonwand hinweg fliegt und auf den Zuschauer aufprallt voll einstandspflichtig.

3. Für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht bei Speedwayrennveranstaltungen ist es erforderlich, zusätzlich zu oder auf der Betonwand bzw. statt ihrer einen motorsportspezifischen Fangzaun zu montieren, der geeignet ist, in den Zuschauerraum ausbrechende Motorräder aufzuhalten

4. Unerheblich ist, ob sich im Einzelfall die Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters im Rahmen des Üblichen halten, die Vorschriften des Rennsportverbandes sowie die Auflagen der Behörden eingehalten worden sind, weil der Verkehrssicherungspflichtige eigenverantwortlich zu prüfen hat, welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit niemand einen Schaden erleidet (vgl. BGH, VersR 1966, 165, 166; NJW 1975, 533). 

Rechtsgrundlage:
§ 823 BGB

Gericht:
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 16.01.2018 - 2 U 105/17

OLG Oldenburg, PM 27/2018