Wer irrtümlich eine Erklärung unterschreibt, die einen anderen Inhalt hat als besprochen und gedacht, kann die Erklärung wirksam anfechten. Eine 70-Jährige ist davon ausgegangen, ein zweiwöchiges Testangebot abgeschlossen zu haben, stattdessen handelte es sich um ein 64-Wochen-Fitnesspaket.

Der Sachverhalt

Eine knapp 70-Jährige erhielt einen Werbeflyer von einem Fitnessstudio für Frauen. Auf diesem Flyer war ein Testangebot aufgeführt "2 Wochen 19,90 Euro - letzter Starttermin 28.2.13".“ Da der Frau nach einer Rückenoperation sanfte Übungen zur Wiederherstellung der Rückenmuskulatur von den Ärzten empfohlen wurde und sie von Sozialhilfe lebt, konnte sie sich einen Vertrag mit einem Fitnessstudio nicht leisten und beschloss, dieses Testangebot zu nutzen.

Sie begab sich in das Fitnessstudio und legte den Werbeflyer vor. Sie gab an, dieses Angebot nutzen zu wollen und unterschrieb eine Vereinbarung mit dem Fitnessstudio. Da sie ihre Brille vergessen hatte, hat sie den Wortlaut der Vereinbarung nicht lesen können, was sie dem zuständigen Mitarbeiter des Fitnessstudios auch gesagt hat.

Dieser hat der Frau mehrfach versichert, dass es sich um einen Vertrag entsprechend des Testangebots handeln würde. Tatsächlich hat die Frau einen Vertrag für ein 64 Wochen Basispaket unterschrieben. Zuhause bemerkte die Frau den Irrtum und forderte das Fitnessstudio auf, den Vertrag rückgängig zu machen, da sie sich getäuscht fühlte und sie sich die Gebühren nicht leisten konnte.

Das Fitnessstudio machte den Vertrag nicht rückgängig, sondern verlangte unter anderem sämtliche Beiträge für die Restlaufzeit und das Startpaket, insgesamt 1.130 Euro. Da die Frau das nicht zahlte, erhob das Studio Klage vor dem Amtsgericht München

Das Urteil des Amtsgerichts München (271 C 30721/13)

Das Amtsgericht München hat durch Urteil (271 C 30721/13) entscheiden, dass die Frau nichts bezahlen muss. Der Vertrag konnte wirksam angefochten werden, da sie sich über dessen Inhalt geirrt hat. Sie sei davon ausgegangen, nur eine zweiwöchige Nutzungsvereinbarung abgeschlossen zu haben gemäß dem Flyer, den sie bei den Vertragsverhandlungen vorgelegt hat.

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 1994 entschieden, dass derjenige, der ein Schriftstück ungelesen unterschrieben hat, den Vertrag anfechten kann, wenn er sich von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat. Da die Münchnerin den Vertrag mangels Brille nicht lesen konnte und auch nicht durchgelesen hat, hat sie, ohne dies zu merken, etwas anderes zum Ausdruck gebracht, als das, was sie in Wirklichkeit hatte erklären wollen. Sie hat sich darüber geirrt, welche Bedeutung ihrer Erklärung bei dem Geschäft zugekommen ist.

Das Gericht ist aufgrund der Angaben der Beteiligten wie auch der Gesamtumstände davon überzeugt, dass sie den Vertrag, wenn sie den tatsächlichen Inhalt gekannt hätte, so nicht unterschrieben hätte. Warum sollte sie - ohne das Fitnessstudio zu kennen und mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen - gleich einen Langzeitvertrag abschließen wollen, zumal teurer als das Testangebot? Ohnehin kam eine Mitgliedschaft aus finanziellen Gründen nicht in Frage.

Bei aller Geschäftstüchtigkeit von Fitnessstudios konnte das Gericht aber nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Kundin vorsätzlich getäuscht, ja angelogen worden ist. Vielmehr dürfte -wie so oft- der Fehler auf beiden Seiten gelegen haben: Wird schlecht zugehört, redet man ganz schnell aneinander vorbei.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 18.06.2014 - 271 C 30721/13

AG München, PM
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