Der Sachverhalt
Der Kläger bremste mit seinem Fahrzeug wegen eines Eichhörnchens bis zum Stillstand ab. Das dahinter fahrende Fahrzeug fuhr auf den Kläger auf. Der Kläger behauptet, das Eichhörnchen sei über die Straße gelaufen, habe bereits die gesamte Gegenfahrspur überquert. Es wurde in zwei moderaten Bremsphasen abgebremst.
Der Auffahrende als Beklagter behauptet, das Eichhörnchen sei am Gehweg gesessen, erst nach dem Stillstand der Fahrzeuge sei es über die Fahrbahn gelaufen. Der Kläger habe eine Vollbremsung durchgeführt.
Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 331 C 16026/13)
Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass derjenige, der auf den Vorausfahrenden auffährt, i. d. R. unaufmerksam oder zu dicht hinter dem Vordermann war. Der Anscheinsbeweis kann dadurch erschüttert werden, dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird.
Dies ist z.B. der Fall, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhalteweges ruckartig- etwa infolge einer Kollision - zum Stehen gekommen und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist. Daran fehlt es aber, wenn das vorausfahrende Fahrzeug durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt, denn ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren (BGH, Urteil vom 16.01.2007, BGH Az. VI ZR 248/05).
Mithaftung des Vorausfahrenden
Eine (Mit-)Haftung des Vorausfahrenden kann sich aber dann ergeben, wenn der Unfallgegner nachweist, dass der Vorausfahrende grundlos stark gebremst hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StVO). Die Beweislast hierfür trägt der Auffahrende. Dies ist im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen.
Die Beklagtenseite hat zwar behauptet, das Eichhörnchen wäre nicht über die Straße gelaufen, sondern am Gehweg gesessen. Von Klägerseite ist dies jedoch bestritten worden. Das Eichhörnchen habe bereits die gesamte Gegenfahrbahn überquert. Damit steht es Aussage gegen Aussage, ohne dass das Gericht einer der beiden Darstellungen oder Personen einen höheren Beweiswert zumessen kann.
Betriebsgefahr: Haftungsanteil in Höhe von 25%
Vorliegend ist die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch einen Haftungsanteil in Höhe von 25% zu berücksichtigen. Unstreitig wurde nicht aus einem verkehrsimmanenten Grund abgebremst, sondern wegen eines Kleintier. Ohne ein Abbremsen, wäre es unzweifelhaft nicht zu dem Unfall gekommen. Der Unfall wäre zu vermeiden gewesen, auch wenn dies evtl. zulasten des Eichhörnchens gegangen wäre.
Daher tritt die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs unter Berücksichtigung aller Umstände bei der gemäß § 17 StVG gebotenen Abwägung im Hinblick auf den von dem auffahrenden Beklagtenfahrzeug ausgehenden Verursachungs- und Verschuldensbeitrag nicht zurück, auch wenn natürlich die überwiegende Haftung vorliegend die Beklagtenseite trifft.
Rechtsgrundlagen:
§ 4 Absatz 1 Satz 2 StVO
§ 17 StVG
§ 286 Absatz 1 S. 1 BGB
§ 288 BGB
Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 25.02.2014 - 331 C 16026/13
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