Der Angeklagte erhob sich nach einer Sitzungspause beim Wiedereintritt des Gerichtes nicht und blieb auch nach Aufforderung und Androhung eines Ordnungsgeldes sitzen. Wann muss man sich denn erheben und wann nicht und wann stellt es eine Ungebühr nach § 178 Abs. 1 GVG dar?
Der Sachverhalt
Der Angeklagte hatte sich nach einer kurzen Verhandlungspause beim erneuten Eintreten der Richterin nicht erhoben. Dem war vorausgegangen, dass er bereits beim Betreten des Saals durch die Richterin zu Beginn der Hauptverhandlung trotz gegenteiliger Aufforderung "unter Berufung auf die deutsche Verfassung" sitzen geblieben war.
Trotz Ermahnung durch die Richter und Androhung des Ordnungsgeldes in Höhe von 200,- EUR, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, blieb der Mann sitzen. Nun wendet sich der Angeklagte gegen den Ordnungsgeldbeschluss.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (2 Ws 448/14)
Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, kann zwar das Sitzenbleiben eines Angeklagten grundsätzlich einer Ungebühr im Sinne des § 178 GVG Abs. 1 darstellen. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt.
Wann muss man sich erheben?
Wie bereits der Wertentscheidung des Richtliniengebers zu entnehmen ist, haben sich sämtliche Anwesenden (lediglich) beim Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel von ihren Plätzen zu erheben (Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 RiStBV). Diese Vorgaben, an die die Gerichte nicht gebunden sind, wurden von der Rechtsprechung letztlich übernommen.
Trotz Aufforderung nicht ungebührlich
Demgegenüber stellt das bloße Sitzenbleiben beim Eintreten des Gerichts nach vorangegangener Sitzungspause nur dann eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG dar, wenn weitere objektive Umstände hinzutreten, was vorliegend nicht der Fall war. Ungebührlich wird ein solches Verhalten auch nicht dadurch, dass die Vorsitzende den Angeklagten aufgefordert hatte, sich von seinem Platz zu erheben. Denn hierzu war er nicht verpflichtet, mag es auch verbreitet üblich sein.
Anders als zu Beginn der Sitzung stellt deren Fortsetzung nach einer Pause nämlich keinen besonderen Verfahrensabschnitt dar, der einer Verdeutlichung durch die äußere Form des Aufstehens der im Sitzungssaal Anwesenden bedarf (OLG Saarbrücken StraFo 2007, 208).
Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 05.01.2015 - 2 Ws 448/14
OLG Karlsruhe
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