Ein Juraprofessor sowie zwei von einem Rechtsanwalt vertretene Bürger sind mit ihren Versuchen, die geplante Volksabstimmung über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" zu verhindern, vor dem Staatsgerichtshof Baden-Württemberg gescheitert.

Sowohl der im Wege eines Organstreits gestellte Antrag eines Juraprofessors wie auch die "vorbeugenden Volksentscheidungsanfechtung" durch einen Rechtsanwalt sind unzulässig.

Der Staatsgerichtshof hat ohne mündliche Verhandlung gem. § 17 Gesetz über den Staatsgerichtshof (StGHG) beide Anträge verworfen und damit zugleich Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Durchführung der Volksabstimmung erledigt.

Der Sachverhalt (Juraprofessor)

Der antragstellende Juraprofessor hatte beantragt, die Landesregierung zu verpflichten, die für den 27. November 2011 vorgesehene Volksabstimmung nicht durchzuführen, und festzustellen, dass der zur Volksabstimmung gestellte Gesetzentwurf und die Volksabstimmung selbst mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und mit dem Grundgesetz unvereinbar seien. Für den Fall, dass über diesen Antrag nicht vor Durchführung der Volksabstimmung entschieden werde, beantragte der Antragsteller weiter, die Volksabstimmung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 25 StGHG) auszusetzen.

Die Entscheidung

Der Staatsgerichtshof hat festgestellt, dass der Antragsteller schon nicht antragsberechtigt ist. In Betracht komme für das verfolgte Begehren allenfalls ein Organstreitverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 Landesverfassung (LV), §§ 44 ff. StGHG. Nach § 44 StGHG könnten Antragsteller nur der Landtag und im Falle des Art. 36 LV der Ständige Ausschuss, die Regierung und die in der Verfassung oder der Geschäftsordnung des Landtags oder der Regierung mit eigener Zuständigkeit ausgestatteten Teile dieser Organe sein. Zu diesem Kreis der Antragsberechtigten gehöre der Antragsteller nicht. Im System der Verfassungsgerichtsbarkeit nach deutschem Verfassungsrecht sei der einzelne Staatsbürger im Organstreit nicht parteifähig. Der einzelne Staatsbürger nehme im Rahmen einer Volksabstimmung keine Organfunktionen wahr, aus denen seine Antragsberechtigung im Organstreitverfahren folgen könne (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 24.03.1982, BVerfGE 60, 175 ).

Anderes ergebe sich auch nicht aus dem von dem Antragsteller zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 (2 BvE 2/08 u.a. -, BVerfGE 123, 267). Die Entscheidung betreffe, soweit sie vom Antragsteller in diesem Zusammenhang ins Feld geführt werde, Verfassungsbeschwerden. Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg und das Staatsgerichtshofgesetz sehen aber eine Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof nicht vor. Im Übrigen würde eine Verfassungsbeschwerde in jedem Fall voraussetzen, dass der Beschwerdeführer geltend macht, durch den angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten beeinträchtigt zu sein (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30 ). Schon dies sei hier nicht feststellbar.

Der Sachverhalt (Bürger)

In einem weiteren Verfahren haben zwei von einem Rechtsanwalt vertretene Bürger beantragt, im Wege der "vorbeugenden Volksentscheidungsanfechtung" die für den 27. November 2011 vorgesehene Volksabstimmung für unzulässig zu erklären, hilfsweise, der Landesregierung im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 25 StGHG) weitere Vorbereitungen zur Durchführung der Volksabstimmung zu untersagen.

Die Entscheidung

Auch diese Anträge sind nach dem heute dazu ergangenen Beschluss des Staatsgerichtshofs unzulässig und wurden verworfen (§ 17 StGHG). Vor Durchführung der Volksabstimmung sei ein Einspruch nach § 21 Gesetz über Volksabstimmungen und Volksbegehren (VAbstG) nicht zulässig.

§ 21 Abs. 4 VAbstG eröffne lediglich die Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung einer bereits durchgeführten Volksabstimmung, lasse jedoch die vorbeugende rechtliche Kontrolle einer zukünftigen Volksabstimmung nicht zu. Für eine solche Überprüfung einer erst noch durchzuführenden Volksabstimmung durch den Staatsgerichtshof stehe dem einzelnen Bürger auch nicht eine andere Verfahrensart zur Verfügung.

Rechtsgrundlagen:
68 Abs. 1 Nr. 1 LV
§ 44 StGHG:
§ 17 StGHG:
§ 21 VAbstG:

Gericht:
Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17. Oktober 2011 - GR 5/11 und GR 6/11

Quelle: Staatsgerichtshof
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